Charterschiff „Celtic Explorer“ statt LNG-Neubau „Atair“ führt die Reise durch
Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) startet am 22. Juli 2020 mit der Gesamtaufnahme der Nordsee und sommerliche Aufnahme der Deutschen Bucht und südwestlichen Ostsee. Auf der knapp 3.600 Seemeilen langen Forschungsfahrt werden elf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Technikerinnen und Techniker aktuelle ozeanographische und meereschemische Daten erfassen und das Seewasser auf die Konzentration ausgewählter künstlicher Radionuklide untersuchen. In einem zweiten Abschnitt der Reise findet eine engräumigere Beprobung der Deutschen Bucht und der deutschen Ostseegewässer statt. Die Gesamtaufnahme der Nordsee endet am 9. August in Bremerhaven, dann folgen nach einem Crew-Wechsel die Untersuchungen in der Deutschen Bucht und südwestlichen Ostsee. Die auf beiden Abschnitten erhobenen Daten dienen einer aktuellen Zustandsbewertung der Nord- und Ostsee und der Erfassung klimabedingter Veränderungen in unseren Meeren. Die Reise mit dem eingecharterten irischen Forschungsschiff „Celtic Explorer“ endet am 19. August in Kiel. Eigentlich sollte die Fahrt schon der LNG-Neubau „Atair“ durchführen, der aber durch die Corona-Pandemie von der Fassmer-Werft nicht rechtzeitig fertiggestellt werden konnte.
Das BSH fährt seit 1998 mit wechselnden Schiffen ein Netz von ortsfesten Stationen ab, auf denen ozeanographische und chemische Profilmessungen durchgeführt und Wasserproben entnommen werden. Die auf den über 100 Stationen erhobenen Daten der Nordsee-Aufnahme dienen der detaillierten Bestimmung der räumlichen Verteilung von Temperatur, Salzgehalt und Dichte des Seewassers sowie der Analyse von Nährstoffen und organischen Schadstoffen. Ferner werden die Sauerstoffsättigung, das Säurebindungsvermögen (Alkalinität) und der pH-Wert des Seewassers bestimmt. Des Weiteren werden auf dem zweiten Fahrtabschnitt Proben zur Bestimmung von Metallen in der Wassersäule entnommen und die Meeresoberfläche auf einigen Teilstücken mit einem Neustonnetz auf Verunreinigungen untersucht. Das Neustonnetz, ein feinmaschiges Netz, das eigentlich zur Planktonuntersuchung an der Wasseroberfläche konstruiert ist, wird bei der Reise primär für die Bestimmung von feinen Plastik- und Paraffinverunreinigungen verwendet. Die Bestimmung der oberflächennahen Chlorophyll- und Trübstoffverteilung sowie der Sichttiefe des Meerwassers dienen unter anderem der Überprüfung und Validierung optischer Sensoren auf Satelliten, die vom BSH ganzjährig zur Zustandsbewertung von Nord- und Ostsee genutzt werden.
Ein Teil der Daten wird bereits an Bord für eine erste Bewertung analysiert, eine detaillierte Aus- und Bewertung, insbesondere vieler chemischer Parameter, ist aber erst nach Rückkehr und Durchführung zusätzlicher Analysen im BSH-Labor in Sülldorf möglich. Das eingespielte wissenschaftlich-technische Team arbeitet während der Gesamtaufnahme in zwei oder drei Schichten rund um die Uhr (7/24). Die erhobenen Daten dokumentieren den aktuellen Nordseezustand und dessen langfristige Entwicklung über die letzten 23 Jahre. Damit liefern sie einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung der deutschen Monitoringverpflichtungen im Rahmen der europäischen Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) und helfen bei der Validierung von operationellen Ozeanmodellen. Die Langfristigkeit dieser Messungen zusammen mit der Kombination von physikalischen und chemischen Parametern ist von besonderer Bedeutung für die Plausibilisierung von Klimaszenarien und die Bewertung klimabedingter Veränderungen in der Nordsee. Erst derartig lange Zeitserien ermöglichen die Trennung der eigentlichen Klimasignale von der hohen natürlichen Variabilität der Nordsee. Damit liefern die seit mehr als 20 Jahren erhobenen Daten auch einen wichtigen Beitrag zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) und sind Grundlage für vielfältige Untersuchungen des BMVI-Expertennetzwerkes „Wissen – Können – Handeln“ zur Anpassung der Verkehrsträger an den Klimawandel. Die international unter dem Begriff „BSH North Sea Summer Survey Data“ bekannten Datensätze der Sommeraufnahmen gibt das BSH – wie alle anderen Messdaten auch – an nationale und internationale wissenschaftliche Einrichtungen weiter. Durch die langfristige Erfassung und Archivierung maritimer Daten verfügt das BSH über lange Beobachtungsreihen und ist damit ein wichtiger Partner für andere wissenschaftliche Einrichtungen.
Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) ist die zentrale maritime Behörde in Deutschland. Fast 1.000 Beschäftigte in rund 100 Berufen befassen sich mit Aufgaben in der Seeschifffahrt, der Ozeanographie, der nautischen Hydrographie, der Offshore-Windenergie und der Verwaltung. Fünf eigene Vermessungs-, Wracksuch- und Forschungsschiffen operieren in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone von Nord- und Ostsee. Das BSH arbeitet international in mehr als 12 Organisationen und etwa 200 dort angesiedelten Gremien unter anderem bei der Entwicklung internationaler Übereinkommen mit. Das BSH ist eine Bundesoberbehörde und Ressortforschungseinrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur mit Dienstsitzen in Hamburg und Rostock.
Comentários