Vor wenigen Tagen ist bei der Werft Western Baltija Shipbuilding im litauischen Klaipėda das erste von drei neuen Mehrzweckschiffen des Bundes, die neue „Scharhörn“ aufgeschwommen, wie das Bundesamt für Wasserbau jetzt mitteilte.
Über ein angepasstes Schienensystem sowie Schwerlastwagen wurde das neue Schiff auf einen eigens für dieses Manöver bereitgestellten Dockponton bei der litauischen Werft verfahren, um anschließend an geeigneter Stelle im tiefen Wasser den Absenkvorgang durchführen zu können. Umfangreiche Vorbereitungen, Berechnungen und Prüfungen seitens der Bauwerft Abeking & Rasmussen (A&R) aus Lemwerder, in Zusammenarbeit mit seinem Unterauftragnehmer Western Baltija Shipbuilding (WBS), Klaipeda sowie weiteren Experten, gingen diesem besonderen Ereignis voraus. Vor Ort begleitet wurde dieser Vorgang ebenfalls durch die Experten der Projektteams der BAW. Alle Beteiligten zeigten sich sehr zufrieden, mit dem erfolgreich verlaufenen Manöver. Im Anschluss an das erfolgte „Zuwasserlassen“ wird jetzt eine erste Überprüfung des tatsächlichen Schiffsgewichts zur Verifizierung der bisherigen, rechnerischen Gewichtsermittlung durchgeführt. In den folgenden Wochen wird das Schiff dann für seine bevorstehende Verschleppung aus der Ostsee an die Unterweser zu A&R nach Lemwerder vorbereitet, die vermutlich noch im August erfolgen wird.
Am Standort der Werft beginnt dann der vollständige Ausbau der gesamten Ausrüstung und die sukzessive Inbetriebnahme der einzelnen schiffstechnischen Systeme. Nach Abschluss der notwendigen umfangreichen Erprobungen und Probefahrten soll das erste Mehrzweckschiff im ersten Quartal 2025 fertiggestellt und an den Auftraggeber übergeben werden. Ursprünglich sollte das erste Schiff schon 2023 in Betrieb genommen werden. Die Fertigung der Schwesterschiffe 2 und 3 wird nun planmäßig in Klaipeda fortgesetzt, die Ablieferungen folgen dann jeweils ein Jahr später.
Der Auftrag zum Bau der neuen Mehrzweckschiffe für die Nord- und Ostsee wurde im Dezember 2019 erteilt, die Kiellegung für das erste Schiff erfolgte im September 2021. Zuständig für die technische Bauabwicklung ist die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW).
Ein Schiff dieser Neubauserie wird die 23 Jahre alte „Neuwerk“, die in Cuxhaven ihren Basishafen hat, ersetzen. Die beiden anderen Neubauten ersetzen die mittlerweile 47 Jahre alte „Scharhörn (Baujahr 1974) und die im Jahr 1984 erbaute „Mellum“. Die neuen Schiffe werden ausschließlich mit Flüssigerdgas (LNG) betrieben und sind damit besonders umweltfreundlich.
Rolls-Royce wird für die neuen 95 Meter langen Mehrzweckschiffe den gasgeschützten Antrieb liefern. Dazu sollen die Schiffe von einem gas-elektrischen Antriebssystem mit jeweils vier 3.600 Kilowatt leistenden mittelschnelllaufenden Bergen-Gasmotoren des Typs B36:45L6AG von Rolls-Royce angetrieben werden. Das Unternehmen liefert dabei nicht nur die Motoren und Generatoren, sondern bietet dem Kunden mit einem speziell entwickelten Gasschutzsystem eine besondere Lösung. Damit sind die Motoren auch dann noch betriebsfähig, wenn beispielsweise bei einer Havarie eines Gastankers die Umgebungsluft mit explosiven Gasen kontaminiert ist. „Die Motoren verbrennen zwar Gas, doch wenn dies über die Ansaugluft unkontrolliert in den Brennraum gerät, ist der Motor nicht mehr regelbar“, erläutert Rolls-Royce-Projektleiter Christian Prinz. Bei dem von Rolls-Royce entwickelten System wird die Leistung des Motors in Relation zur Gasmenge in der Ansaugluft angepasst. Kurz: Je mehr Gas sich in der Ansaugluft des Motors befindet, desto weniger Gas wird dem Motor über die Gasregelventile zugeführt. Ist die Gasmenge zu hoch, schließen spezielle Schnellschlussklappen die Gas- und Luftzufuhr und der Motor stoppt.
Die Neubauten erhalten zudem Notschleppeinrichtungen mit einem Pfahlzug von 1450 kN (145 t).
Das Neubau-Trio steht für einen Gesamtwert von rund 600 Millionen Euro.
Comments