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AutorenbildChristian Eckardt

Insolvente Rickmers Reismühle in Bremen kann zum Teil gerettet werden


Italienisches Unternehmen übernimmt Sparte für Fertigprodukte und 33 der bisherigen 74 Arbeitsplätze


Ein Teil des insolventen Bremer Traditionsunternehmens Rickmers Reismühle in der Überseestadt kann offenbar gerettet werden. Die Sparte für Mikrowellen- und Fertigprodukte geht an den italienischen Lebensmittelproduzenten Pedon. Knapp die Hälfte der 74 Arbeitsplätze kann demnach so erhalten werden.


In den kommenden Tagen will sich die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mit dem Betriebsrat zusammensetzen und darüber beraten, was mit den Beschäftigten geschieht, die ihre Arbeit verlieren werden. Im vergangenen Juli hatte Rickmers Reismühle den Insolvenzantrag gestellt. Als Grund gab das Unternehmen Lieferengpässe bei gleichzeitig stark gestiegenen Rohstoffpreisen an.



Von der GÖRG Insolvenzverwalter Partnerschaft wurde die insolvente Rickmers Reismühle GmbH in den vergangenen Monaten erfolgreich durch das in Eigenverwaltung geführte Insolvenzverfahren begleitet. Unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.10.2022 ist die Veräußerung des Convenience-Food-Bereichs gelungen, wodurch nun rund die Hälfte aller Arbeitsplätze gesichert werden konnte. Die Rickmers Reismühle sah sich aufgrund von Lieferengpässen und Preissteigerungen im Juli dieses Jahres gezwungen, Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht Bremen zu stellen.


Mit dem erfolgreichen Verkauf des Convenience-Food-Bereichs konnte ein Bremer Traditionsunternehmen am Standort gesichert werden. GÖRG-Partner Tim Beyer: „Für Bremen ist die Übernahme des Geschäftsbereichs Convenience ein sehr erfreuliches Signal, denn diese sichert viele Arbeitsplätze am Standort. Unser Dank richtet sich in diesem Zusammenhang an alle Beteiligten für die konstruktive Zusammenarbeit.“ Der Sachwalter Dr. Malte Köster ergänzt: „Die Teilsanierung bei Rickmers Reismühle ist unter den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein bemerkenswerter Erfolg. Das Team der Eigenverwaltung hat zu jedem Zeitpunkt hochprofessionell, schnell und sehr zielgerichtet gearbeitet. Insbesondere der Umgang mit der komplexen zollrechtlichen Abfertigung als Grundvoraussetzung für das wichtige Exportgeschäft verdient großen Respekt.“



Die Rickmers Reismühle ist ein Bremer Traditionsunternehmen mit einer gut 150jährigen Firmengeschichte. Die erste Reismühle errichtete 1858 der Holz- und Kohlehändler Friedrich Konitzki. 1872 beteiligte sich der Reeder Clasen Rickmers an dem Unternehmen. Eine Zeitlang gehörte das Unternehmen zu den größten Reisverarbeitungsbetrieben weltweit. 1963 hat der US-Lebensmittelkonzern Kellogg den Betrieb übernommen. Seit 1983 ist die Rickmers Reismühle wieder selbständig.


Zur Rickmers Reismühle gehören bisher drei Geschäftsbereiche: Foodservice Reis, Convenience und Ingredients Reis. Der Foodservice beinhaltet den Handel von Reis, Getreidemischungen und reisverwandten Produkten. Im Bereich Convenience arbeitet das Unternehmen als Lohnhersteller für die Produktion von Mikrowellen-/Convenience-Produkten für andere Unternehmen. Und im Geschäftsbereich Ingredients beliefert die Rickmers Reismühle Industriekunden mit Reisvorprodukten, die insbesondere aus dem Mahlen von Bruchreis entstehen und von den Industriekunden dann weiterverarbeitet werden. Im letzten Geschäftsjahr hat das Unternehmen einen Umsatz von rund 16 Mio. EUR generiert.

„Die jüngsten globalen Krisen verbunden mit Lieferengpässen und dramatischen Preissteigerungen haben der Rickmers Reismühle erheblich zugesetzt“, erklärte Prof. Dr. Gerrit Hölzle, Rechtsanwalt der Kanzlei GÖRG und zugleich gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Karl-Friedrich Curtze seit kurzem Sanierungsgeschäftsführer der Rickmers Reismühle. „Ein geplanter Umzug und Modernisierung des Produktionsstandortes in Bremen kann vom Unternehmen in dieser Situation aus eigener Kraft nicht umgesetzt werden.“

Im letzten Jahr wurde das 3,2 Hektar große Grundstück auf der Überseeinsel von der Rickmers Reismühe an die Specht-Gruppe verkauft. Die Reismühle wollte sich einen neuen Standort innerhalb Bremens suchen, zumal man auf den direkten Wasseranschluss seit 2006 nicht mehr angewiesen war. Der Reis, den die Mühle als ganze Körner, Mehl oder Flocken an den europäischen Großhandel und die Lebensmittelindustrie liefert, wurde seitdem nicht mehr per Schiff, sondern per Container mit dem Zug oder in Lkw angeliefert.

Ab 2024 sollen nach dem Rückzug der Reismühle auf dem weitläufigen Areal Wohnungen und Häuser mit einer Bruttogeschossfläche von bis zu 35.000 Quadratmetern entstehen, 30 Prozent von ihnen als geförderter Wohnungsbau. Außerdem werden die Gebäude, in denen Leben und Arbeiten zusammenkommen sollen, nach einem speziellen KfW-Standard errichtet und teilweise mit Fotovoltaik-Anlagen ausgestattet.


Der aktuelle Standort der Reismühle direkt mit Weserzugang auf der Überseeinsel hat übrigens eine längere Schiffbauvergangenheit, wurden dort von 1949 bis 1963 fast 50 Hochseeschiffe von der damaligen Adler Werft gebaut, darunter auch das ehemalige Seebäderschiff „Bremerhaven“, das später in Bremerhaven untergegangen ist. 1963 wurde die Werft geschlossen und die AG Weser pachtete das Gelände, um dort Schlepper und Pontos zu reparieren. 1973 wurde der Betrieb an Ludwig Müller, den ehemaligen Betriebsleiter des Reparaturbetriebes verkauft. Der nun Stephani Werft Ludwig Müller GmbH & Co KG benannte Betrieb, beschäftigte sich bis zu seinem Konkurs im Jahre 1977 mit See- und Binnenschiffsreparaturen sowie mit dem Sektionsbau für andere Werften, überwiegend für Blohm & Voss. Grund für den Konkurs des Unternehmens mit 70 Beschäftigten war dann der stornierte Umbau eines britischen Kümos. Später zog dann die Rickmers Reismühle in die alten Werkhallen ein. Bei Niedrigwasser auf der Weser kann man heute noch immer die alten Ablaufpallungen des Bauhelgens der alten Adler Werft erkennen.



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